Kompetenzen in der Politischen Bildung

Julia Thyroff
Mit dem Lehrplan 21 wird der Unterricht der Volksschule neu unter das Dach der Kompetenzorientierung gestellt. Damit wird der Fokus weg vom Wissen hin zum Können verschoben. Was dies für die Politische Bildung bedeutet, klärt dieser Text

Vom Pauken zum Können

Im Unterschied zu klassischen Lehrplänen, die primär definierten, welche Inhalte mit dem Unterricht abgedeckt werden müssen, sind kompetenzorientierte Lehrpläne outputorientiert. Es werden Ziele definiert, die die Schüler*innen erreichen sollen, und zwar in Form von Kompetenzen, über die sie verfügen sollen. Doch was genau sind Kompetenzen? In der pädagogischen und didaktischen Literatur werden Kompetenzen in der Tradition Franz E. Weinerts oft als ein Mix aus Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bereitschaften definiert.[1] Anders ausgedrückt: Es geht darum, dass Schüler*innen kognitiv in der Lage sein sollen, das Handwerkszeug beherrschen sollen und noch dazu bereit sein sollen, etwas Bestimmtes zu tun.

Der Ansatz der Kompetenzorientierung bildet also den Gegenpol zum Modell des sogenannten Nürnberger Trichters, bei dem das Eintrichtern und Auswendiglernen von Inhalten im Zentrum steht. Didaktisch wird mit dem Kompetenzansatz an die Tradition der Reformpädagogik angeknüpft. Schüler*innen sollen selbständig denken und handeln lernen, statt unreflektiert Fakten zu pauken. Für viele Lehrpersonen ist dieses Anliegen keineswegs neu. Neu sind allenfalls die konkreten Kompetenzmodelle, die seit einigen Jahren von den Fachdidaktiken der unterschiedlichen Fächer hervorgebracht werden.

Kompetenzen in der Politischen Bildung

Zentrales Werkzeug des kompetenzorientierten Unterrichts sind Kompetenzmodelle. Im Fall der Politischen Bildung wurden sogar gleich mehrere Modelle entwickelt.[2] Eine Diskussion der unterschiedlichen Ansätze würde hier zu weit führen, lässt sich aber bei Interesse in einem Buch der Politikdidaktikerin Kerstin Pohl nachlesen.[3]

Als Grundlage für die Materialien auf PB-Tools arbeiten wir mit dem Kompetenzmodell von Reinhart Krammer.[4] Übergeordnetes Ziel für Krammer ist es, dass die Schüler*innen selbständig und reflektiert politisch Denken und Handeln lernen.[5] Dazu gehören vier Kompetenzen, wobei anzumerken ist, dass sich diese Kompetenzen in der Praxis überschneiden und im Unterricht selten einzeln angebahnt werden können.

Bei dieser Kompetenz geht es darum, dass Schüler*innen politische Entscheidungen, Probleme und Kontroversen verstehen, diese selbstständig beurteilen und ihr Urteil begründen können. Umgekehrt können sie auch bereits existierende Urteile anderer, die im politischen Diskurs vorhanden sind, überprüfen und bewerten.

Bei dieser Kompetenz geht es darum, am Finden von Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen und Probleme mitzuwirken. Hierzu gehört, dass die Schüler*innen ihre eigenen Positionen einbringen können, aber auch, dass sie die Interessen und politischen Positionen anderer aufgreifen und verstehen, um gemeinsam nach einer Lösung für ein bestimmtes Problem zu suchen. Hierzu zählt die Bereitschaft zum Kompromiss wie auch die Toleranz gegenüber abweichenden Haltungen.

Bei dieser Kompetenz geht es darum, dass Schüler*innen politische Botschaften in unterschiedlichen Medien erkennen, einordnen und kritisch analysieren können. Zudem dient Methodenkompetenz dazu, dass sich die Schüler*innen auch selbst politisch artikulieren können. Hierzu gehören Fähigkeiten wie die Beschaffung und Überprüfung von Informationen und die Beherrschung verschiedener Artikulationsformen (z. B. Textarten).

Bei dieser Kompetenz geht es darum, dass die Schüler*innen Begriffe und Konzepte des Politischen verstehen, über diese verfügen und sie auch weiterentwickeln können. Zu den für die Politische Bildung wichtigen Basiskonzepten zählen beispielsweise Macht, Recht, System, Gemeinwohl, Knappheit und Öffentlichkeit. Ein abschliessender Katalog von Konzepten für die Politische Bildung lässt sich allerdings schwerlich definieren. Eher lassen sich Konzepte als ein zusammenhängendes Netz verstehen, das je nachdem mehr oder weniger umfangreich, komplex und ausdifferenziert sein kann und durch systematisches Konzeptlernen bei den Schüler*innen angereichert werden kann. Politische Sachkompetenz ist dabei keineswegs zu verwechseln mit dem Verfügen über politisches (Fakten-)Wissen, sondern stellt vielmehr eine darüber liegende, abstraktere Ebene dar.

Kompetenzen bewerten?

Politische Kompetenzen zielen darauf, dass die Schüler*innen selbständig und reflektiert politisch Denken und Handeln lernen. Völlig zurecht fragen sich viele Lehrpersonen, wie sich dieses abstrakte Ziel und die zugehörigen Komptenzen im Unterricht «messen», beurteilen und bewerten lassen. Wie in anderen gesellschaftswissenschaftlichen Fächern auch, ist es in der Politischen Bildung etwa nur selten möglich, eindeutig nach «Richtig» und «Falsch» zu entscheiden. Trotzdem gibt es Ansätze, politische Kompetenzen zu bewerten, sei es, dass die formale Qualität politischer Urteile oder die Komplexität von Konzepten ins Blickfeld gerät.

Politische Kompetenzen und der Lehrplan 21

Die hier genannten vier politischen Kompetenzen sind im Lehrplan 21 nicht explizit genannt. Dies liegt daran, dass der Lehrplan 21 die Kompetenzen für Politische Bildung nicht abstrakt, sondern als themenspezifische Kompetenzen formuliert hat. Wohl aber finden sich die Grundgedanken der hier genannten vier Kompetenzen wieder.

Ist zum Beispiel im Lehrplan gefordert, dass die Schüler*innen «unterschiedliche Positionen zum Verhältnis Schweiz – Europa skizzieren und selber dazu Stellung nehmen» sollen (RZG 8.3c), so werden hierfür politische Sach-, Methoden und Urteilskompetenz benötigt:

  • Sachkompetenz, um überhaupt das komplexe Konzept Europa zu verstehen und je nach Perspektive differenzierte Antworten geben zu können,
  • Methoden- und Urteilskompetenz, um sich die unterschiedlichen Positionen zu Europa, die im politischen Diskurs der Schweiz vorhanden sind, systematisch zu erschliessen und dazu begründet Stellung beziehen zu können.

Einzelne Textelemente basierend auf politischebildung.ch sowie Vera Sperisen und Claudia Schneider, «Kompetenzen der Politischen Bildung», POLIS, Nr. 11 (2019): 11. 

  1. Franz E. Weinert, «Vergleichende Leistungsmessung in Schulen. Eine umstrittene Selbstverständlichkeit», in Leistungsmessungen in Schulen, hg. von Franz E. Weinert, Beltz-Pädagogik (Weinheim: Beltz, 2001), 27–28. [ ↑ ]
  2. z. B. Reinhard Krammer, «Kompetenzen durch Politische Bildung. Ein Kompetenz-Strukturmodell», Informationen zur Politischen Bildung 29 (2008): 5–14; Christoph Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen. Methodische und didaktische Annäherungen für Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung, Österreichische Beiträge zur Geschichtsdidaktik Geschichte – Sozialkunde – Politische Bildung 3 (Innsbruck: Studienverlag, 2015); Georg Weißeno u. a., Konzepte der Politik. Ein Kompetenzmodell, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung 1016 (Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung, 2010); Béatrice Ziegler u. a., «Politische Bildung. Für Lehrpersonen und Schulleitungspersonen der Volksschule im Kanton Aargau», Handreichung (Aarau: Zentrum Politische Bildung und Geschichtsdidaktik, 2012). [ ↑ ]
  3. Kerstin Pohl, Hrsg., Positionen der politischen Bildung 2. Interviews zur Politikdidaktik, 3. Aufl. (Schwalbach/Ts: Wochenschau, 2016). [ ↑ ]
  4. Krammer, «Kompetenzen durch Politische Bildung». [ ↑ ]
  5. Krammer, 5. [ ↑ ]
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