Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum

Oliver Dlabac

Der öffentliche Raum – Strassen, Fusswege, Plätze und Parks – kann grundsätzlich von allen genutzt werden. Im öffentlichen Raum treffen nicht nur unterschiedliche Bevölkerungsgruppen und -schichten aufeinander, sondern auch unterschiedliche Interessen und Nutzungsbedürfnisse. Dabei hat sich die Nutzung des öffentlichen Raumes über die letzten 20 Jahre stark verändert: Die Rede ist von einer «Kommerzialisierung» und «Eventisierung» des öffentlichen Raumes, sowie von der «Mediterranisierung» des Nutzungsverhaltens. Eine starke Nutzung erfährt der öffentliche Raum durch Jugendliche und junge Erwachsene – besonders in den Agglomerationszentren. Während die verschiedenen Nutzergruppen den von Ihnen aufgesuchten öffentlichen Raum sehr schätzen, ist in den Medien und in der Politik immer wieder von unerwünschtem Verhalten von Jugendlichen, Randständigen und Asylsuchenden zu lesen.[1]

Foto von Dorothea OLDANI auf Unsplash

«Stadtraumstrategie» (2019) der Stadt Luzern

Angesichts des prognostizierten Bevölkerungswachstums legt der Luzerner Stadtrat einen Schwerpunkt bei der «Steigerung der Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum». Um eine integrative Wirkung des öffentlichen Raums sicherzustellen, soll dieser für alle zugänglich sein und durch die Nutzer*innen angeeignet werden können. Insbesondere soll eine einseitige kommerzielle Nutzung des öffentlichen Raums verhindert werden. Gleichzeitig sieht der Stadtrat in der Qualität der öffentlichen Stadträume auch einen wichtigen Standortfaktor für Luzern als Tourismusdestination. Für die Weiterentwicklung des öffentlichen Raums sieht er folgende strategische Stossrichtungen vor[2]:

A. Schaffung von Begegnungsräumen

  • Planung aus Sicht von Fussgänger*innen
  • Sitzplätze, Brunnen, Orte für soziale Aktivitäten
  • Angenehmes Klima durch Begrünung

B. Ermöglichung von Vielfalt

  • Auf Plätzen mit Aussengastronomie immer auch Aufenthaltsbereiche ohne Konsumzwang
  • Sicherstellung auch von Rückzugsräumen
  • Sicherheitsgefühl für alle Bevölkerungsgruppen durch verstärkte soziale Kontrolle (z.B. Einrichtung von Sommerbars, Prävention durch SIP-Einsatztruppe)

C. Abwägung unterschiedlicher Nutzungsansprüche

  • Bedarfsabklärung und Mitwirkung durch Anwohnende, Gewerbe, Gäste, Arbeitnehmer*innen

Seepark Ufschötti in der Stadt Luzern: Anarchie umgeben von Abfallbergen?

Die Ufschötti, am See und nahe am Bahnhof Luzern gelegen, bietet in Sommernächten einen beliebten Rückzugsort für Jugendliche aus der weiteren Umgebung. Geschützt vor den Blicken der Erwachsenen dient der Park jüngeren Jugendlichen als Erfahrungsraum, wo neue Umfangsformen und Lebensweisen und damit das Erwachsenwerden erprobt werden kann. Konsumiert werden selbst mitgebrachte Sachen, wobei sich die Jugendlichen zwar über mutwillig zerschlagene Flaschen, nicht aber über die hinterlassenen Abfallberge zu stören scheinen. Über Gewalt auf der Ufschötti kursieren zwar viele Geschichten, eigentlich handelt es sich aber um einen friedlichen Ort.[3]

Zur Verbesserung der Sauberkeit und der wahrgenommenen Sicherheit verfolgt die Stadt Luzern den Weg einer Regulierung nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit. Um unerwünschte Nutzungen durch Jugendliche einzudämmen, setzt sie auf folgende Massnahmen[4]:

  • Kampagnen zur Eigenverantwortung gegen Littering, z.B. «Luzern glänzt»

  • Intensive Reinigung in den frühen Morgenstunden

  • Einrichtung von Sommerbars: Erhöhung der sozialen Kontrolle und Sauberhaltung der Umgebung der Bar bis Mitternacht, Attraktivitätssteigerung auch für andere Bevölkerungsgruppen

Foto von Petar Marjanovic auf Wikimedia Commons

Luzerner Bahnhofplatz: Störendes Verhalten von Jugendlichen

Auch Bahnhofsplätze erfüllen eine wichtige Funktion für Jugendliche. Für Jugendliche aus der Umgebung dienen sie als Besammlungsort, bevor man Plätze, Parks, Bars oder Clubs aufsucht, sowie als Aufenthaltsort bis zur Heimfahrt. Zudem bieten Bahnhofshallen und Bahnhofsplätze Jugendlichen auch als Bühnen der Selbstinszenierung verschiedener Gruppen oder Szenen. Insbesondere beim Übergang vom Kind ins Erwachsenenleben dient diese Bühne als Reibefläche in der Auseinandersetzung mit der eigenen Identität. Oder sie dienen Szenen zur Abgrenzung gegenüber gesellschaftlichen Normen. Als störend empfunden werden Pöbeleien unter alkoholisierten Jugendlichen, Vandalismus oder Belästigungen von Passant*innen.[5]

Für den Umgang mit unerwünschten Verhaltensweisen hat die Stadt Luzern folgende Massnahmen[6] umgesetzt:

  • Luzerner Polizei markiert Präsenz an zentralen Brennpunkten

  • Einsatztruppe SIP (Sicherheit, Intervention, Prävention): Deeskalation durch Kommunikation, Prävention im Umgang mit Alkohol- und Drogen

  • Neu eingeführter Wegweisungsartikel und Litteringbussen

  • KKL: Private Sicherheitskräfte und Videoüberwachung zur Prävention von Vandalismus

  • Kooperation mit Verkaufsstellen zur Heraufsetzung der Altersgrenze für Alkohol auf 18, kein Billigbier mehr am Bahnhof

  • Rückbau Blumenbeete und Entfernung Sitzbänke auf Bahnhofplatz für ungehinderten Durchgang von Passant*innen, kürzere Verweildauer von Gruppen

  1. Zusammenfassung basierend auf Monika Litscher, «Öffentliche Stadträume: Aneignungen durch Jugendliche», in Jugendliche im öffentlichen Raum. InfoAnimation zur Fachtagung des Dachverbandes offene Jugendarbeit Schweiz, InfoAnimation 19 (Bern: Dachverband offene Jugendarbeit Schweiz, 2009), 6–10, https://doj.ch/wp-content/uploads/InfoAnimation-19.pdf[ ↑ ]
  2. Selektive Zusammenfassung basierend auf Stadtrat der Stadt Luzern, «Stadtraumstrategie. Bericht und Antrag an den Grossen Stadtrat von Luzern vom 16. Januar 2019» (Luzern: Stadtrat der Stadt Luzern, 2019), https://www.stadtluzern.ch/_rtr/information_738449[ ↑ ]
  3. Zusammenfassung nach Barbara Emmenegger, Monika Litscher, und Flavia Caviezel, «Bericht Fallstudien Basel, Luzern, Schaffhausen, Winterthur, Zürich», 2009, https://ppdb.hslu.ch/inf2/rm/f_protected.php?f=20141110174719_5460ec17220c1.pdf&n=Bericht+zu+den+Fallstudien+def.pdf, Kapitel 4.2. [ ↑ ]
  4. Selektive Aufzählung basierend auf Stadt Luzern, «Strategie ‹Nachtleben und öffentlicher Raum›. Strategie von Stadt und Kanton zur Bewältigung der Herausforderungen im öffentlichen Raum der Stadt Luzern April 2015» (Stadt Luzern, Direktion Umwelt, Verkehr und Sicherheit, 2015), https://www.stadtluzern.ch/_docn/1072377/Strategie_Nachtleben_oeffentlicher_Raum_140415.pdf[ ↑ ]
  5. Zusammenfassung basierend auf Barbara Emmenegger und Monika Litscher, «Bericht Pilot-Fallstudie St. Gallen», Soziale Arbeit, 2008, https://ppdb.hslu.ch/inf2/rm/f_protected.php?f=20141110174628_5460ebe4276d7.pdf&n=Bericht+Pilot-Fallstudie_SG.pdf[ ↑ ]
  6. Selektive Aufzählung basierend auf Stadt Luzern, «Strategie ‹Nachtleben und öffentlicher Raum›. Strategie von Stadt und Kanton zur Bewältigung der Herausforderungen im öffentlichen Raum der Stadt Luzern April 2015». [ ↑ ]
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