Basiskonzept Öffentlichkeit

Manuel S. Hubacher

Als Basiskonzept beschreibt Öffentlichkeit einen elementaren Bestandteil davon, was das Politische ist. Da es sich um ein Konzept handelt, gibt es keine abschliessende und richtige Definition davon, was Öffentlichkeit ist. Ganz abstrakt lässt sich diese als ein kommunikativer Raum verstehen, in dem wir Informationen austauschen, Stellung zu Themen beziehen und unsere Meinung vertreten. Werden diese subjektiven Meinungen themenspezifisch gebündelt, entsteht eine öffentliche Meinung.[1] Diese kommunikativen Prozesse spielen sich in unterschiedlichen Öffentlichkeiten auf unterschiedliche Weise ab. Ebenso fällt deren normative Bewertung je nach angelegtem Massstab unterschiedlich aus.

Öffentlichkeit unterscheidet sich konzeptionell vom Privaten, auch wenn im Alltag der Übergang von der privaten zur öffentlichen Sphäre fliessend ist. Je nachdem, ob man sich im Privaten oder in der Öffentlichkeit bewegt, gelten unterschiedliche Regeln und man agiert dementsprechend anders.[2]

Foto von Volodymyr Hryshchenko auf Unsplash

Öffentlichkeit und Demokratie

In einer demokratischen Gesellschaft kommen der Öffentlichkeit und der Meinungsfreiheit eine wichtige Rolle zu. Die Bürger*innen sollen in der öffentlichen Sphäre frei zusammenkommen, um gesellschaftliche Probleme zu identifizieren und zu diskutieren. Diese öffentliche Debatte, idealerweise gestützt durch unabhängige Medien und eine transparente Verwaltung, bildet den Ausgangspunkt für politisches Handeln. Welche Rolle den Bürger*innen dabei zukommen soll, ist umstritten. Sollen sie die Rolle gebildeter Zuschauer*innen, die das politische Tagesgeschäft kommentieren, oder jene der Aktivbürger*innen, die selber und direkt politisch gestalten, einnehmen?

Öffentliche Räume

Eng mit dem Konzept der Öffentlichkeit ist jenes des öffentlichen Raumes verknüpft. Ebenso wie im Fall von Öffentlichkeit, so ist es auch im Fall des öffentlichen Raumes nicht möglich, eine abschliessende und einzig richtige Definition zu finden. Ein entscheidendes Merkmal, welches öffentliche von privaten Räumen abgrenzt, ist die Zugänglichkeit.[3] Ein Raum ist dann öffentlich, wenn ihn grundsätzlich alle ohne Einschränkungen betreten dürfen. Darunter fallen verschiedenste Räume mit unterschiedlichsten Funktionen, die sowohl geografischer (z. B. öffentlicher Platz) als auch digitaler Natur sein können.

Brillenglas «Öffentlichkeit»

Mit dem didaktischen Model der Politik-Brille kann man das Basiskonzept Öffentlichkeit als Brillenglas verwenden, um politische Dimensionen in einem Unterrichtsgegenstand zu identifizieren, zu analysieren und zu bewerten. Wolfang Sanders verbindet in seinem Modell der Basiskonzepte die Grundfrage «Was unterscheidet menschliches Handeln im öffentlichen Leben vom privaten Bereich?»[4] mit dem Basiskonzept Öffentlichkeit. Weitere auf Öffentlichkeit bezogene Fragen an einen Gegenstand sind z. B.:[5]

  • Was bedeutet öffentlich – was bedeutet privat?
  • Warum spielt Öffentlichkeit in der Politik eine Rolle? Welche Rolle spielt Transparenz?
  • Wie verändert sich Öffentlichkeit (z.B. durch Digitalisierung, durch den Wandel des öffentlichen Raums etc.)?
  • Wer gelangt wie und mit welchem Ziel an die Öffentlichkeit (angewandt auf spezifische Unterrichtsthemen)?

Diese Liste lässt sich beliebig erweitern. Die Fragen zeigen auf, wie mit Hilfe der Basiskonzepte eine politische Perspektive auf ganz unterschiedliche Themen gewonnen werden kann.

  1. Jürgen Habermas, Faktizität und Geltung: Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 1361 (1992; Nachdruck, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1998), 436. [ ↑ ]
  2. Wolfgang Sander, Politik entdecken – Freiheit leben: Didaktische Grundlagen politischer Bildung, 4. Aufl., Politik und Bildung 50 (Schwalbach/Ts.: Wochenschau, 2013), 100. [ ↑ ]
  3. Guido Brendgens, «Vom Verlust des öffentlichen Raums», UTOPIE kreativ 182 (2005): 1089. [ ↑ ]
  4. Wolfgang Sander, «Wissen: Basiskonzepte der Politischen Bildung», Informationen zur Politischen Bildung, Nr. 30 (2009): 58. [ ↑ ]
  5. Fragen übernommen aus: Vera Sperisen und Claudia Schneider, Basiskonzepte, POLIS, Nr. 11 (2019): 9, https://www.fhnw.ch/de/die-fhnw/hochschulen/ph/institute/institut-forschung-und-entwicklung/forschungszentren/zentrum-politische-bildung-und-geschichtsdidaktik/polis-das-magazin-fuer-politische-bildung/media/polis_19.pdf#page=5[ ↑ ]
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