Beschwerden gegen Medieninhalte

Julia Thyroff

Unter Mitarbeit von Lisa Fahrni

Medien nehmen in einer Demokratie eine zentrale Rolle wahr und stehen unter dem Schutz der Medienfreiheit. Auf der anderen Seite können Medienprodukte jedoch auch selbst Rechte, beispielsweise die Persönlichkeitsrechte von anderen Personen, verletzen. Im folgenden Text werden Möglichkeiten aufgezeigt, sich gegen solche Verletzungen durch Medien zur Wehr zu setzen.

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Rolle von Medien in der Demokratie

Die Medien-, Meinungs- und Informationsfreiheit sind in Demokratien unverzichtbare Rechte.[1] Sie sind sowohl als Menschenrechte wie auch in den Grundrechten (Art. 16 – 17 BV) in der Schweiz verbindlich festgehalten. Jedoch stehen die Medien-, Meinungs- und Informationsfreiheit manchmal in Konflikt mit anderen elementaren Rechten. Immer wieder kommt es beispielsweise vor, dass die Berichterstattung von Medien jemandes Persönlichkeit verletzt. Gerade in Zeiten, in welchen Medien unter einem grossen Konkurrenzkampf und Finanzdruck stehen und die Aufmerksamkeit von Leser*innen, Zuschauer*innen und Zuhörer*innen mit Sensationen geweckt werden kann, sind Entgleisungen durch Medien möglich.

Medienunternehmen oder Journalist*innen sind, soweit es sich nicht um Träger staatlicher Aufgaben handelt, nicht direkt an die Grundrechte gebunden. Der in der Verfassung verankerte Persönlichkeitsschutz löst jedoch unter anderem Schutzpflichten des Staates aus. Diesen kam er nach, indem er beispielsweise Regelungen zum Schutz der Persönlichkeit im Straf- und Zivilrecht erliess. Zentral ist im Falle von Persönlichkeitsverletzungen durch Medien Art. 28 des Zivilgesetzbuches, welcher unter Privaten anwendbar ist.[2] Auch private Medienunternehmen, sogenannte «juristische Personen», fallen unter diese Regelung. Der oder die Kläger*in kann selbst entscheiden, gegen wen die Beschwerde gerichtet sein soll. Häufig sind an Medienpublikationen verschiedene Personen beteiligt, etwa Journalist*innen, Chefredaktor*innen oder Verleger*innen, welche nach Art. 28 ZGB alle gleichermassen haften. Der Schutz der Persönlichkeit umfasst den physischen, psychischen und sozialen Bereich. Dazu gehören beispielsweise das Recht am eigenen Bild, das Recht auf Achtung der Privatsphäre und der Schutz der Ehre.[3]

In solchen heiklen Fällen gibt es in der Schweiz gleich mehrere Möglichkeiten, sich gegen Medieninhalte zur Wehr zu setzen. Die zur Verfügung stehenden Optionen unterscheiden sich, je nachdem,

  • gegen welche Art von Medien eine Beschwerde eingelegt werden soll,
  • gegen welchen Sachverhalt Beschwerde eingelegt werden soll
  • ob eine Verletzung der eigenen Rechte oder fremder Rechte geltend gemacht werden soll,
  • ob lediglich eine informelle Beanstandung vorgebracht oder aber der formelle Rechtsweg beschritten werden soll.

Im Fokus dieses Textes stehen diejenigen Optionen, die sich bieten, um gegen Inhalte in den sogenannten klassischen Medien, also in Pressemedien (Zeitungen, Zeitschriften), Rundfunk und Fernsehen vorzugehen. Digitale Medien stellen die Presselandschaft und auch deren Reglementierung vor neue Herausforderungen.

Auch die Medien selbst können sich, soweit es sich um private Unternehmen handelt, auf Grundrechte berufen. Der Schutzbereich des Grundrechts der Medienfreiheit unterscheidet sich von jenem anderer (öffentlicher) Äusserungen. Die Medienfreiheit ist insbesondere abzugrenzen von der Meinungs- und Informationsfreiheit. Letztere erfasst öffentliche Meinungsäusserungen ganz allgemein, während die Medienfreiheit spezifisch auf Publikationen von Medien und auf die journalistische Tätigkeit abzielt. Durch die Meinungs- und Informationsfreiheit sind auch nicht-journalistische Äusserungen, die beispielsweise über Soziale Medien verbreitet werden können, geschützt.[4]

Was aber kann man konkret unternehmen, wenn man sich durch eine Medienpublikation in seinen Rechten verletzt sieht? Die nachfolgenden Abschnitte zeigen einige Möglichkeiten auf.

Der Schweizer Presserat

Der Schweizer Presserat ist eine Organisation, die die Einhaltung von Standards durch Medienschaffende überwacht. Er versteht sich als «Beschwerdeinstanz», das heisst, er wird bei Beanstandungen von Medienschaffenden oder von Personen aus dem Publikum unentgeltlich aktiv und veröffentlicht Stellungnahmen zu den eingegangenen Meldungen. Behandelte Fälle sind auf der Website des Presserats einsehbar.

Grundlage für die Stellungnahmen des Presserates bildet der Journalistenkodex, der Rechte und Pflichten für die Arbeit von Medienschaffenden festhält. Zu den Pflichten zählt beispielsweise,

  • nur Informationen von bekannten Quellen zu veröffentlichen und Informationen nicht zu verändern oder zu unterschlagen (Ziffer 3),
  • Privatsphäre zu respektieren, sofern dem kein öffentliches Interesse entgegensteht (Ziffer 7),
  • Menschenwürde zu respektieren und diskriminierende Aussagen (z. B. aufgrund von Religion, Nation, Ethnie, Geschlecht oder Behinderung) zu unterlassen (Ziffer 8).

Der Presserat besteht aus insgesamt 21 Mitgliedern. Davon üben 6 Mitglieder keine Medienberufe aus. Sie repräsentieren das Publikum. Die übrigen Mitglieder sind als Journalist*innen tätig.[5]

Der Presserat ist eine moralische, aber keine juristische Instanz. Eine Beanstandung beim Presserat einzureichen, beispielsweise wegen Verletzung der Privatsphäre der eigenen oder einer fremden Person, ist also nicht gleichbedeutend damit, wegen Verletzung der Persönlichkeit bei einem Gericht zu klagen beziehungsweise den Rechtsweg zu beschreiten. Der juristische Weg steht unabhängig von der Behandlung eines Falles durch den Presserat offen.

Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI)

Neben dem Presserat existiert in der Schweiz eine weitere öffentliche Beschwerdeinstanz, die sich speziell mit Beschwerden gegen Radio- und Fernsehbeiträge der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG beschäftigt – also unter anderem mit Beschwerden gegen das Angebot von SRF.[6] Bei der UBI handelt es sich um ein neunköpfiges Gremium, das vom Bundesrat gewählt wird und formal dem Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) angegliedert ist.

Im Gegensatz zum Presserat handelt es sich bei der UBI um eine gerichtsähnliche Instanz, welche auch Bestandteil des formellen Rechtswegs ist. Grundlage für ihre Einschätzungen bildet das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG), in dem beispielsweise festgehalten ist, dass das Programm der SRG Grundrechte und Menschenwürde respektieren muss und nicht diskriminierend sein darf (RTVG Art. 4 Abs. 2). Stellt die UBI Verletzungen des RTVG fest, kann sie Massnahmen einleiten. Beispielsweise kann sie die Verantwortlichen auffordern, einen Mangel zu beheben oder dessen Wiederholung zu verhindern (RTVG Art. 89). Auch kann die UBI bei wiederholten, schweren Verstössen beim UVEK ein Sendeverbot beantragen (RTVG Art. 97). Gegen Entscheide der UBI kann Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht werden, falls eine persönliche Betroffenheit besteht.[7]

In einem Buch von Roger Blum, ehemaliger Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Bern und ehemaliger Präsident der UBI, findet sich eine Sammlung von Fällen, die von der UBI behandelt wurden und die sich für eine Thematisierung im Unterricht eignen.[8]

Der gerichtliche Rechtsweg

Daneben oder anschliessend an die obengenannten Optionen steht Personen, die sich von Medien in ihrer Persönlichkeit verletzt sehen, auch der gerichtliche Rechtsweg offen.

Die angerufenen Gerichte wägen dann ab zwischen mehreren Gütern, die in Widerspruch zueinander stehen: Das Recht der Öffentlichkeit auf Information auf der einen und der Schutz der Persönlichkeit auf der anderen Seite. Persönlichkeitsverletzungen durch Medien können beispielsweise gerechtfertigt sein durch ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit.[9] Der Persönlichkeitsschutz in der Verfassung auferlegt dem Staat auch eine Schutzpflicht. Über deren Umsetzung etwa durch zivilrechtliche Normen kann auch gegen Verletzungen der Persönlichkeit durch Private vorgegangen werden.

In einem aufsehenerregenden Fall klagte ein Unternehmer gleich gegen verschiedene Medien, unter anderem wegen Persönlichkeitsverletzung. In zahlreichen Artikeln hatten sie über eine Strafuntersuchung gegen den Mann berichtet und diesen dabei auch namentlich genannt. Er klagte, die persönlichkeitsverletzende Berichterstattung habe seinen guten Ruf geschädigt und zu psychischen Beeinträchtigungen geführt. Beim Handelsgericht des Kantons Zürich wollte der Unternehmer die Löschung persönlichkeitsverletzender Beiträge sowie die Herausgabe des dadurch erwirtschafteten Gewinns erreichen. Das Handelsgericht hiess die Klage nur teilweise gut, woraufhin der Kläger sich an das Bundesgericht wandte. Dieses war mit dem Entscheid des Handelsgerichts nicht zufrieden und wies die Klage zur erneuten Beurteilung zurück. Auch dieses zweite Urteil zog der Unternehmer an das Bundesgericht weiter. Dieses gibt ihm teilweise Recht: Es stellt eine Persönlichkeitsverletzung fest und weist die Vorinstanz ein weiteres Mal an, einen neuen Entscheid in der Sache zu fällen.[10]

In Fällen, in denen Rechte aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) betroffen sind, ist auch ein Weiterzug an den EGMR möglich: Zu diesem Mittel griffen Mitarbeitende der SRG, die vom Bundesgericht verurteilt worden waren. Im Rahmen der Sendung «Kassensturz» war ein Gespräch mit einem Versicherungsberater heimlich aufgenommen und diesem daraufhin eine fehlerhafte Beratung vorgeworfen worden. Ausschnitte aus dem Gespräch wurden später ausgestrahlt, wobei der Versicherungsberater anonymisiert wurde. Vier beteiligte Medienschaffende wurden wegen der Aufnahme dieser Gespräche strafrechtlich angeklagt. Der erstinstanzliche Freispruch wurde an das Obergericht des Kantons Zürich weitergezogen, welches zu einem Schuldspruch gelangte. Dieser wurde durch das Bundesgericht bestätigt. Die Mitarbeitenden der SRG klagten gegen diese strafrechtliche Verurteilung auf der Grundlage von Art. 10 EMRK, der die Meinungsfreiheit schützt. Die Medienfreiheit ist darin zwar nicht explizit erwähnt, sie fällt jedoch unter den Schutzbereich der Meinungsfreiheit.[11] Der EGMR stimmte den Beschwerdeführenden zu: Die strafrechtliche Verurteilung verstosse gegen die Meinungsfreiheit.[12]

Passende Lerneinheiten​

  1. Mit herzlichem Dank für weiterführende Rückmeldungen von Marzia Piampiano, Elke Schlote und Klaus-Neumann Braun. [ ↑ ]
  2. Vgl. Bettina Bacher, «Interessenabwägung bei Persönlichkeitsverletzungen durch Medien,» Medialex. Zeitschrift für Kommunikationsrecht 7, (2017): 5–19, https://medialex.ch/wp-content/uploads/2019/08/medialex_07_2017.pdf[ ↑ ]
  3. Vgl. Andreas Meili, «Art. 28 ZGB,» In Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I Art. 1-456 ZGB, 6. Aufl. (Basel: Helbling Lichtenhahn, 2018). https://app.legalis.ch/legalis/document-view.seam?documentId=nnpwe43ll55goytjl53g64q, insb. Rz. 17ff.; 37. [ ↑ ]
  4. Vgl. Franz Zeller und Regina Kiener, «Art. 17: Medienfreiheit,» in Basler Kommentar Bundesverfassung, hg. von Bernhard Waldmann et al. (Basel: Helbling Lichtenhahn, 2015), Rz. 16f. [ ↑ ]
  5. Schweizer Presserat. «Geschäftsreglement des Schweizer Presserats». Zugegriffen 18. März 2021. https://presserat.ch/der-presserat/geschaeftsreglement/[ ↑ ]
  6. Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI. «Aufgaben Der UBI». Zugegriffen 18. März 2021. https://www.ubi.admin.ch/de/die-ubi/aufgaben[ ↑ ]
  7. Vgl. Mascha Santschi Kallay, «§ 2 Grundrechtlicher Schutz der Medien versus Schutz des Justizansehens / III. Schutz des Justizansehens / D. - F,» in Externe Kommunikation der Gerichte, (Stämpfli Verlag AG, 2018) 61–77, https://www.swisslex.ch/de/doc/bookdoc/75d2d0c3-f43c-4a7a-ba24-45620b68ba40/search/139019972[ ↑ ]
  8. Roger Blum, Unseriöser Journalismus? Beschwerden gegen Radio und Fernsehen in der Schweiz (Konstanz: Herbert von Halem Verlag, 2015). [ ↑ ]
  9. Vgl. Bettina Bacher, «Interessenabwägung bei Persönlichkeitsverletzungen durch Medien,» Medialex. Zeitschrift für Kommunikationsrecht 7, (2017): 5–19, https://medialex.ch/wp-content/uploads/2019/08/medialex_07_2017.pdf[ ↑ ]
  10. Vgl. BGE 143 III 297. [ ↑ ]
  11. Vgl. Christian Mensching, «Art. 10 Freiheit der Meinungsäusserung,» in EMRK Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Kommentar, hg. von Ulrich Karpenstein et al. (2. Aufl., Gelbe Erläuterungsbücher. C.H. Beck, 2015), 809, Rz. 13. [ ↑ ]
  12. Vgl. Franz Zeller, «Schuldsprüche wegen versteckter Kamera für anonymisierte Branchenkritik im «Kassensturz» missachten die EMRK,» Medialex. Zeitschrift für Kommunikationsrecht, Nr. 3/15 (März 2015): 1–5. [ ↑ ]
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