Basiskonzept Knappheit

Oliver Dlabac

Gewisse Güter (z. B. natürliche Ressourcen) sind beschränkt. Unsere Vorstellung darüber, wie eine Gesellschaft oder die Menschheit mit Knappheit umgehen soll, bestimmt unser Verständnis von Politik und vom Politischen mit.[1] Genauso wie frei zugängliche natürliche Ressourcen knapp sind und vor einer Übernutzung geschützt werden müssen, stellt sich auch bei der Generierung von privatem Wohlstand und beim Zugang zu vorteilhaften sozialen und politischen Positionen die Frage der Verteilung.

Eine liberale Theorie zur Verteilungsgerechtigkeit

John Rawls’ Theorie der Gerechtigkeit hat auf die Diskussion der Verteilungsfrage bis heute grossen Einfluss.[2] In seiner Theorie geht er von einem hypothetischen Zustand aus, in dem Individuen hinter dem «Schleier des Nichtwissens» die künftigen gesellschaftliche Rahmenbedingungen festlegen, ohne ihren künftigen sozialen Status zu kennen. Rawls argumentiert, rationale Individuen stimmten in diesem Zustand aus Eigeninteresse zu gleichen Grundfreiheiten und gleichen Chancen zur Erlangung vorteilhafter sozialer und politischer Positionen zu. Schliesslich seien soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten nur so weit zu rechtfertigen, wie diese zum Vorteil der am schlechtesten Gestellten sind.

Brillenglas «Knappheit»

Mit dem didaktischen Model der Politik-Brille kann man das Basiskonzept Knappheit als Brillenglas verwenden, um politische Dimensionen in einem Unterrichtsgegenstand zu identifizieren, zu analysieren und zu bewerten. Wolfang Sanders verbindet in seinem Modell der Basiskonzepte die Grundfrage «Wie kann und soll der Umgang mit knappen Gütern gestaltet und politisch geregelt werden?»[3] mit dem Basiskonzept Knappheit. Weitere Knappheit betreffende Fragen an einen Gegenstand sind z. B.:[4]

  • Warum sind spezifische Güter knapp (an Beispielen besprechen)? Wie entsteht diese Knappheit? Wie hängt diese Knappheit mit den Bedürfnissen zusammen?
  • Welche Unterschiede gibt es bei Bedürfnissen? Warum?
  • Wer und was entscheidet bei der Verteilung von Gütern darüber, ob ich etwas bekomme oder nicht? Ist das gerecht oder ungerecht? Warum?
  • Welche Lösungen zur gerechten Verteilung von Gütern gibt es?

Diese Liste lässt sich beliebig erweitern. Die Fragen zeigen auf, wie mit Hilfe der Basiskonzepte eine politische Perspektive auf ganz unterschiedliche Themen gewonnen werden kann.

  1. Wolfgang Sander, Politik entdecken – Freiheit leben: Didaktische Grundlagen politischer Bildung, 4. Aufl., Politik und Bildung 50 (Schwalbach/Ts.: Wochenschau, 2013), 101–2. [ ↑ ]
  2. Wolfgang Sander, «Wissen: Basiskonzepte der Politischen Bildung», Informationen zur Politischen Bildung, Nr. 30 (2009): 58. [ ↑ ]
  3. Wolfgang Sander, «Wissen: Basiskonzepte der Politischen Bildung», Informationen zur Politischen Bildung, Nr. 30 (2009): 58. [ ↑ ]
  4. Fragen übernommen aus: Vera Sperisen und Claudia Schneider, Basiskonzepte, POLIS, Nr. 11 (2019): 9, https://www.fhnw.ch/de/die-fhnw/hochschulen/ph/institute/institut-forschung-und-entwicklung/forschungszentren/zentrum-politische-bildung-und-geschichtsdidaktik/polis-das-magazin-fuer-politische-bildung/media/polis_19.pdf#page=5[ ↑ ]
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