Basiskonzept Recht

Manuel S. Hubacher

Als System ist das Recht zunächst das Instrument, durch welches Staaten einen Grossteil ihrer Macht ausüben.[1] Dafür erlässt der Staat Rechtsnormen, die Pflichten und Rechte definieren. Derweil die Meisten eine ungefähre Vorstellung davon haben, was ein Kaufvertrag ist oder zu was ein Führerausweis der Kategorie B berechtigt, ist nicht auf Anhieb sichtbar, was die verschiedenen Rechtsnormen, -prinzipien und -beziehungen gemeinsam haben. Ein Grund dafür ist, dass der Begriff des Rechts als System mehrere Dimensionen umfasst. Der Begriff Recht wird auch im Sinne von «Anspruch» oder «Berechtigung» verwendet.

Das Recht als mehrdimensionales Konzept

Als normative Regelung des gesellschaftlichen Zusammenlebens beschreibt das Recht nicht, wie wir zusammenleben, sondern wie wir zusammenleben sollen. Als normative Instanz beansprucht das Recht (in einem bestimmten Territorium) allgemeingültig, autoritativ und verbindlich zu sein. Als logisches System ist das Recht ein in sich geschlossenes, logisch zusammenhängendes und widerspruchsfreies System von Rechtsbegriffen und -grundsätzen. Rechtsnormen umschreiben in einem Wenn-Dann-Schema, was für rechtliche Konsequenzen es hat, wenn ein in einem Gesetz allgemein beschriebener Umstand eintritt. Als Teil der gesellschaftlichen Realität ist das Recht ein gesellschaftlich akzeptiertes, zwangsbewehrtes und durchgesetztes Regelsystem. Das Recht ist einerseits das Resultat politischer Prozesse, reguliert diese andererseits aber auch.[2] Beispielsweise ist die Schaffung neuen Rechts durch eine Volksinitiative bereits im Recht geregelt.

Recht als «politisches» Konzept

Gesellschaftliche Normen sowie die Frage, wie sie zustande kommen und wer sie wie durchsetzen soll, bilden einen elementaren Bestandteil unseres Verständnisses über Politik und das Politische. Dasselbe gilt für die kontroverse Frage, wer wieso welche Rechte (nicht) erhält.[3] Daran schliessen Folgefragen wie «Wer darf das Recht durchsetzen?», «Wie wollen wir zusammenleben?» oder «Wer soll über knappe Ressourcen entscheiden?» an. Diese verweisen auf die anderen Basiskonzepte wie Macht, Gemeinwohl der Knappheit.

Rechte als Bestandteil des Rechts

Das Recht legt uns nicht nur Pflichten auf, sondern definiert auch verschiedene Rechte (z. B. das Recht auf freie Meinungsäusserung). Diese erlauben uns, auf eine bestimmte Weise zu handeln, und definieren manchmal Ansprüche, die wir gegenüber anderen stellen können. Mit einem Recht kann darüber hinaus die Befugnis verbunden sein, eigene und fremde Rechte zu beeinflussen (z.B. kann man einem Freund verbieten, sich in der Wohnung aufzuhalten), oder ein Recht schützt davor, dass die eigenen Rechte von anderen verändert werden dürfen.[4]

Brillenglas «Recht»

Mit dem didaktischen Modell der Politik-Brille kann man das Basiskonzept Recht als Brillenglas verwenden, um politische Dimensionen in einem Unterrichtsgegenstand zu identifizieren, zu analysieren und zu bewerten. Wolfang Sanders verbindet in seinem Modell der Basiskonzepte die Grundfrage «Wie entsteht Recht und wie lässt sich das Verhältnis von Recht und Gerechtigkeit verstehen?»[5] mit dem Basiskonzept Recht. Weitere Fragen an einen Gegenstand sind z. B.:[6]

  • Welche Rechte haben alle Menschen? Warum? Wer gewährleistet dies?
  • Wer sagt, was Recht ist?
  • Wie, wann und wo entstehen Rechte?
  • Wie sind Rechte mit Werten verbunden? Was ist meiner Meinung nach richtig, falsch oder gerecht?

Diese Liste lässt sich beliebig erweitern. Die Fragen zeigen auf, wie mit Hilfe der Basiskonzepte eine politische Perspektive auf ganz unterschiedliche Themen gewonnen werden kann.

  1. Joseph Raz, The Morality of Freedom (Oxford: Oxford University Press, 1986), 70. Raz differenziert den Begriff von Staat (politische Organisation der Gesellschaft) und Regierung (Akteur*in, durch welche der Staat agiert). [ ↑ ]
  2. Karl-Ludwig Kunz und Marino Mona, Rechtsphilosophie, Rechtstheorie, Rechtssoziologie: Eine Einführung in die theoretischen Grundlagen der Rechtswissenschaft (Bern: Haupt, 2006), 6–7. [ ↑ ]
  3. Wolfgang Sander, Politik entdecken – Freiheit leben: Didaktische Grundlagen politischer Bildung, 4. Aufl., Politik und Bildung 50 (Schwalbach/Ts.: Wochenschau, 2013), 101. [ ↑ ]
  4.  Leif Wenar, «The Nature of Rights», Philosophy & Public Affairs 33, Nr. 3 (2005): 223–52, https://doi.org/10.1111/j.1088-4963.2005.00032.x. [ ↑ ]
  5. Wolfgang Sander, «Wissen: Basiskonzepte der Politischen Bildung», Informationen zur Politischen Bildung, Nr. 30 (2009): 58. [ ↑ ]
  6. Fragen übernommen aus: Vera Sperisen und Claudia Schneider, Basiskonzepte, POLIS, Nr. 11 (2019): 9, https://www.fhnw.ch/de/die-fhnw/hochschulen/ph/institute/institut-forschung-und-entwicklung/forschungszentren/zentrum-politische-bildung-und-geschichtsdidaktik/polis-das-magazin-fuer-politische-bildung/media/polis_19.pdf#page=5[ ↑ ]
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