Denkmal vs. Mahnmal
Denkmäler können positiv oder auch negativ konnotiert sein. Für letztere wird gelegentlich auch der Begriff Mahnmal verwendet. Mahnmale beziehen sich auf Aspekte der Vergangenheit, die im Rückblick kritisch gesehen werden. Ein Beispiel sind die Stolpersteine, die im Stadtbild Zürichs und vieler Städte weltweit mahnend an Opfer des Holocausts erinnern. Die Begriffe Denkmal und Mahnmal werden in der Praxis allerdings oft nicht trennscharf verwendet. Ein Beispiel ist das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin, das abkürzend auch als Holocaust-Mahnmal bezeichnet wird.
Der Geschichtsdidaktiker Holger Thünemann schlägt vor, den Begriff Denkmal als übergeordneten Gattungsbegriff zu verwenden und ihn zugleich dadurch zu präzisieren, dass Denkmäler eher einen positiven Bezug zur Vergangenheit herstellen, während Mahnmale der Vergangenheit kritisch gegenüberstehen. Wichtiger als begriffliche Feinheiten scheint für die Unterrichtspraxis die Einsicht, dass Denkmäler sowohl positiv wie auch negativ konnotiert sein können. Je nachdem liegen ihnen unterschiedliche Erzählmuster zugrunde. Während positiv konnotierte Denkmäler die Vergangenheit im Sinne eines «Bravo» loben und im Sinne eines «Nehmt euch ein Beispiel» und «Weiter so» in die Gegenwart und Zukunft fortzuschreiben versuchen, wollen negativ konnotierte Denkmäler im Sinne eines «Nie wieder» eine solche Fortschreibung unbedingt verhindern.
Denkmäler als Teil von Geschichtskultur
Denkmäler zeigen an, was Gesellschaften, bestimmten Gruppen oder einzelnen Akteur*innen in einer bestimmten Zeit wichtig ist, womit sie sich identifizieren und wovon sie sich unbedingt abzugrenzen versuchen. Damit sind Denkmäler ein Ausdruck von Geschichtskultur. Unter Geschichtskultur (oder Erinnerungskultur) versteht man die Art und Weise, wie Gesellschaften mit Vergangenheit umgehen, wie sie über diese sprechen, in welchen Formen sie sich mit ihr auseinandersetzen und mit welchen Erzählungen sie Vergangenheit und Gegenwart miteinander zu verknüpfen zu versuchen. Geschichtskultur umfasst ein weites Spektrum von Akteur*innen und Ausdrucksweisen. Historische Museen und Denkmäler gehören ebenso dazu wie Stadtführungen, Historienfilme, Fernsehdokumentationen, Mittelaltermärkte, Reenactment, Games mit historischem Bezug, Gedenkveranstaltugnen u. v. m. Und auch Geschichtslehrmittel, der Geschichtsunterricht und die Geschichtswissenschaften sind Teil von Geschichtskultur.
Blick hinter die Kulissen: keine Selbstverständlichkeit
Wenn im Lehrplan 21 gefordert ist, dass Schüler*innen «Geschichtskultur analysieren und nutzen» sollen (RZG.7), dann geht es darum, zu verstehen, wie Geschichtskultur funktioniert, welche Formen sie umfasst und welche Funktionen diese unterschiedlichen Formen erfüllen – etwa die Denkmäler. Für Schüler*innen ist dies eine Herausforderung. In der bisherigen Forschung deutet sich an, dass Schüler*innen dazu neigen, Denkmäler unreflektiert als ein Abbild der historischen Wirklichkeit wahrnehmen. Sie müssen also explizit dazu angeregt werden, eine neue Art des Blicks auf Denkmäler zu werfen. Gemeint ist ein analytischer «Blick hinter die Kulissen», bei dem Denkmäler de-konstruiert, ihr Zusammenhang erschlossen, ihre Machart und ihre Funktion(en) analysiert werden.