Politisches Urteilen und Handeln

Manuel S. Hubacher

Was sind «gute» Urteile und wie kann ich Urteilskompetenz trainieren?

Politische Bildung soll Schüler*innen befähigen, politische Sachverhalte zu beurteilen. Was zunächst überzeugend klingt, stellt Lehrpersonen in der Praxis vor Herausforderungen.

«Gute» Urteile

Wir beschäftigen uns in einem späteren Schritt noch ausgiebig mit der Frage, was «gute» Urteile ausmachen. So viel aber schon einmal vorweg: Politische Urteile sind zu begründen. Begründungen müssen mindestens schlüssig sowie sachgerecht sein[1] und dienen dazu, den Geltungsanspruch der Bewertung argumentativ zu stützen. Ziel ist, andere Personen dazu zu bewegen, Urteile als gültig zu akzeptieren. Um dies zu erreichen, müssen Begründungen relevant für das Urteil sein, eine gewisse Qualität aufweisen, multiperspektivisch sein, mehr als nur die eigene Perspektive berücksichtigen und allfällige Auswirkungen bedenken. Dazu kommt, dass Urteile und ihre Begründungen sprachlich kohärent und angemessen sein sollten.

Urteilen will gelernt sein

Foto von Elena Mozhvilo auf Unsplash

Das Formulieren qualitativ hochwertiger Urteile ist für Schüler*innen herausfordernd. Lehrpersonen können Schüler*innen stufenweise an politische Urteilskompetenz heranführen:[2]

  • von einfachen Urteilen (These mit einer Begründung) hin zu komplexen Urteilen (Abstützung durch mehrere Begründungen, Eingehen auf und Entkräften von Gegenargumenten),
  • von Urteilen ohne Reflexion von Wertmassstäben und der eigenen Interessens- und Standortgebundenheit hin zu Urteilen, in welchen eine solche Reflexion stattfindet,
  • von der Auseinandersetzung mit bestehenden politischen Urteilen hin zur Entwicklung eigener Urteile.

Sowohl fremde Urteile analysieren …

Der zuletzt genannte Punkt spricht einen zentralen Aspekt politischer Urteilskompetenz an. Urteilskompetenz umfasst nicht nur das Entwickeln eigener Urteile, sondern auch die Auseinandersetzung mit bereits «fertig» vorliegenden Urteilen[3], die im politischen Feld existieren (z. B. Stellungnahmen unterschiedlicher Parteien zu Themen wie Einwanderung und Klimaschutz oder zu der Frage, ob die Schweiz die Rahmenabkommen mit der EU fortführen soll oder nicht). Urteilskompetenz kann angebahnt werden, indem sich Schüler*innen mit bereits existierenden Urteilen auseinandersetzen und sie anhand von Kriterien analysieren. Die Auseinandersetzung mit dem Aufbau von vorhandenen Urteilen und deren Qualität kann Lernende darin unterstützen, zu gehaltvollen eigenen Urteilen zu gelangen.

… als auch eigene Urteile reflektieren

Urteilskompetenz lässt sich mit Schüler*innen ebenfalls trainieren, indem sie selbst ihre eigenen Urteile anhand von Kriterien reflektieren. Etwa ist es sinnvoll, im Anschluss an eine Diskussionsrunde gemeinsam mit den Schüler*innen die Diskussion auf einer Metaebene auszuwerten (z. B. hinsichtlich der Frage, ob alle Urteile hinreichend begründet wurden). Es soll dann nicht darum gehen, die vorgebrachten Urteile inhaltlich zu bewerten oder gar eine gemeinsame Position abzuleiten, sondern die Qualität der Urteile auf struktureller Ebene zu analysieren.

Quiz

Urteilskompetenz

Was ist mit Urteilskompetenz gemeint? Wie kann Sie im Unterricht angebahnt werden? Testen Sie Ihr Wissen

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Was sollte beim Einsatz dieser Methode berücksichtigt werden? (Mehrfachnennung möglich)

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Wie kann eine sinnvolle Lernprogression im Bereich der Urteilskompetenz aussehen? (Mehrfachnennung möglich)

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Welche Fähigkeiten umfasst Urteilskompetenz? (Mehrfachnennung möglich)

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Welche Unterrichtssettings eignen sich, um Urteilskompetenz zu trainieren? (Mehrfachnennung möglich)

5 / 7

Was sind Nachteile einer Diskussion mit verteilten Rollen? (Mehrfachnennung möglich)

6 / 7

In welchen Fällen kann eine Diskussion mit verteilten Rollen sinnvoll sein? (Mehrfachnennung möglich)

7 / 7

Schematische Darstellung einer Zick-Zack-Debatte

 

Welche Vorteile hat diese Methode? (Mehrfachnennung möglich)

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Individuelle Vertiefung

Entwickeln Sie zum Lehrplanthema «Die Schweiz in der Welt und in Europa» ein Unterrichtssetting, welches die Urteils- und Handlungskompetenz der Lernenden fördert.

  1. Wählen Sie eine problemorientierte Leitfrage aus.
  2. Recherchieren Sie dazu kontroverse Materialien bzw. umschreiben Sie diese, wenn in der kurzen Zeit keine Materialien auffindbar sind.
  3. Skizzieren Sie, welche Methoden und Sozialformen Sie einsetzen.
  1. Jörg Kayser und Ulrich Hagemann, Urteilsbildung im Geschichts- und Politikunterricht (Baltmannsweiler: Schneider, 2010), 37. [ ↑ ]
  2. Idee für diese Stufung: Jan Scheller. [ ↑ ]
  3. Reinhard Krammer, «Kompetenzen durch Politische Bildung. Ein Kompetenz-Strukturmodell», Informationen zur Politischen Bildung 29 (2008): 8. [ ↑ ]
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